Journalismus&Netz im Dezember: Warum der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks modernisiert werden muss

Die (vorerst) geplatzte Erhöhung des Rundfunkbeitrags bewegte die Medienwelt – nicht nur im Dezember. Die Diskussion, wie sich der Auftrag und daraus folgend die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Runkfunks ändern sollen, wird nun wieder Fahrt aufnehmen. Außerdem gibt es paar Ausblicke auf das (Digital-)Journalismus-Jahr 2021.

Rundfunkbeitragserhöhung scheitert an Sachsen-Anhalt

Der Streit um die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent pro Monat und Haushalt war ein medienpolitisches Dauerbrenner-Thema 2020. Im Dezember kam dann der große Knall: Weil sich seine CDU nach wie vor gegen die Erhöhung aussprach (wie auch die dortige AfD), sah Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff keine Mehrheit im Landtag und zog seine Beschlussvorlage am 8. Dezember zurück. Weil damit nicht alle 16 Bundesländer dem Medienänderungsstaatsvertrag, in dem die Beitragserhöhung enthalten war, zugestimmt haben, ist sie erst einmal vom Tisch.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 22. Dezember außerdem einen Eilantrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio abgelehnt, in dem diese einen einstweiligen Antrag auf die Erhöhung gestellt hatten. Die Anstalten müssen also erstmal ohne die geplanten Mehreinnahmen von knapp 400 Millionen Euro auskommen. Das ist aber noch keine inhaltliche Entscheidung, es kommt noch zu einem Hauptsacheverfahren.

Eine ganz ausgezeichnete Zusammenfassung des Streits, der Argumente für und gegen die Erhöhung, der Rechtslage und des weiteren Vorgehens hat Christian Bartels im Altpapier geschrieben (zwar ein MDR- und damit ein ARD-Angebot, dennoch schreibt Bartels sehr sachlich und differenziert).

Grüne: Auftrag des ÖRR an die digitale Welt anpassen

Der Streit um die Finanzierung des ÖRR ist auch ein Streit um die Frage, welchen Auftrag der  ÖRR heutzutage hat bzw. haben soll. Und diese Frage hat wiederum viel damit zu tun, wie Menschen heute Medien nutzen. Deswegen fordert Tabea Rößner, Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz der grünen Bundestagsfraktion in einem Gastbeitrag auf Medienpolitik.net, dass die Bundesländer den Auftrag des ÖRR „endlich der digitalen Welt anpassen sollen“. Sie wünscht sich „echte digitale Angebote, die der Netzlogik folgen“. Um mehr Öffentlichkeit herzustellen, müsse die Entwicklung des ÖRR als Plattform vorangetrieben werden.

Auch einige Reform-Vorschläge von Leonhard Dobusch, der im ZDF-Fernsehrat den Bereich Internet vertritt, zielen auf die Digital-Aktivitäten von ARD, ZDF und Deutschlandfunk ab: In einem Interview mit „Was mit Medien“ fordert er mehr (finanziellen) Handlungsspielraum für die Sender, um nach dem Vorbild von Funk Plattformen und Formate zu entwickeln. (Ein Beispiel: Das neue Wissens-Format „beta stories“ des BR. Hier der Werkstattbericht, in dem die Formatentwicklung erklärt wird). Auf Netzpolitik.org fordert Dobusch mehr Archivinhalte im Netz, mehr freie Lizenzen und mehr Texte. Warum freie Lizenzen zwar wünschenswert, aber schwierig umzusetzen sind, erklärt Annika Schneider in diesem Deutschlandfunk-Beitrag.

Wie viel Text darf die Tagesschau im Netz haben?

Mit seiner Forderung nach mehr Text steht Dobusch zwar nicht allein, aber, dass dieses Thema nach wie vor ein sehr heißes Eisen ist, zeigt die Reaktion des Verlegerverbandes BZDV auf die kürzlich vorgestellte Beta-Version von tagesschau.de. Eine Sprecherin des BDZV monierte im Blog von Medienjournalist Daniel Bouhs „zahlreiche reine Textbeiträge beziehungsweise Beiträge, bei denen Audio und/oder Video bloß Beiwerk sind“. Gut möglich, dass der Streit um die Frage der „Presseähnlichkeit“ der Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandfunk in die nächste Runde geht.

„Berechtiges Interesse“ untergräbt Deaktivierung von Cookies

Wo wir gerade bei den Verlagen sind: Sicher hat jeder von Euch schon auf Journalismus-Websiten wie Bild, SZ, Welt oder FAZ die Cookie-Dialogfenster gesehen. Der Button, mit dem man den Cookies zustimmen kann, ist immer recht prominent platziert und farbig hervorgehoben, die Ablehnung der Cookies – so sie überhaupt möglich ist – meist recht klein gehalten. Und selbst dann bleibt noch das „berechtigte Interesse“ auf das sich die Verlage berufen, um eben doch Tracker zum Beispiel für Marktforschung zu setzen, wie Richard Gutjahr in seinem Blog zwar bisweilen etwas tendenziös, aber doch sachlich richtig aufgeschrieben hat. Sein Fazit: „Unser berechtigtes Interesse an deinen Daten wiegt höher als dein Recht auf informationelle Selbstbestimmung.“ Der Fairness halber muss man dazu sagen, dass nicht nur (deutsche) Verlage diese Cookie-Politik betreiben, sondern sehr viele Websiten, die privatwirtschaftlich finanziert werden und das nicht nur in Deutschland.

Wie Buzzfeed seine Datenbank zu „Follow the Grant“ aufgebaut hat

Kürzlich hat Buzzfeed News darüber berichtet, dass viele deutsche Ärzte von der Pharma-Industrie gefördert werden, dies aber nicht transparent machen, ja, dass das Verschweigen dieser Interessenkonflikte teilweise systematisch erfolge. In einem Werkstattbericht erklärt das Team hinter „Follow the Grant“, wie diese datenjournalistische Investigativrecherche funktioniert hat, wie sie die dafür nötige Datenbank aufgebaut haben und wie die Datenbank mit anderen Quellen verknüpft werden kann.

2020 war auch das Jahr des Podcasts. Auf Übermedien haben Marcus Engert und Sandro Schroeder eine sehr kluge und wissende Podcast-Kritik geschrieben. Sie loben das Coronavirus-Update von NDR Info (vulgo: der Drosten-Podcast), machen aber auch eine Reihe weiterer Trends aus (z.B. zuviel Copycat-Podcasts) und werfen auch schon einen Blick ins Podcast-Jahr 2021 („wir werden mehr Werbung in und um Podcasts herum hören“).

Ausblicke auf den Journalismus 2021

Unter anderem um den Podcast- bzw. Audio-Boom geht es auch im Ausblick auf den Journalismus 2021, den Anja Kollruß vom Innovationslabor White Lab geschrieben hat. Als weitere Trends macht sie mehr Diversität im Journalismus, die Stärkung der Beziehung zwischen Journalist:innen und Nutzer:innen, die Notwendigkeit von Ehtik in der KI und mehr journalistische Start-Ups aus.

Wem diese Trends noch nicht genug sind und wer auch die Einschätzungen von amerikanischen Journalist:innen lesen will, der kann in den mehr als 100 „Predictions for Journalism 2021″ des Nieman Labs stöbern.

Mehr auf medien- und netzpolitische Themen wie das Digitale-Dienste-Gesetz der EU oder den Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags fokussiert ist der Ausblick der taz auf das Medienjahr 2021.

Ich persönlich wage die Vorhersage, dass auch Falschbehauptungen und Desinformation 2021 eine große Rolle spielen werden. Zum Beispiel über die Impfungen gegen das Coronavirus. Und in Deutschland stehen sechs Landtagswahlen und die Bundestagswahl an, die ebenfalls im Zeichen der Coronakrise stehen werden. In diesem Zusammenhang empfehle ich zum Abschluss die Seite factsforfriends.de. Hier fassen zwei Autorinnen Faktenchecks von Organisationen, die zum International Fact Checking Network gehören, zusammen, garniert mit einem Teilen-Button. Praktisch und gerade jetzt ein wertvoller Beitrag für eine faktenbasierte Diskussionskultur.

Das war mein letzter Journalismus&Netz-Rückblick hier auf dem Torial-Blog. Ich werde aber auf Piqd.de weiter über digitalen Journalismus und Medien(politik) schreiben.

Journalismus&Netz im November: Für welchen Journalismus zahlt das Publikum?

Im November ging es sehr viel um die Finanzierung von (Innovationen im) Journalismus. Vor allem die staatliche Presseförderung erntet viel Kritik. Dazu die Frage: Für welchen Journalismus zahlt das (junge) Publikum? Und auch die Diskussion, wie man über Attentäter berichten soll, kochte wieder hoch.  

New York Times bei 7 Millionen Digital-Abonnenten

10 Millionen Abonnenten will die New York Times bis 2025 haben. Fast 7 Millionen sind es schon heute, wie die NYT im November bekanntgab. Und mehr als 6 Millionen haben ein Digitalabo, auf den Vertriebszweig Print entfallen „nur noch“ 800.000 Abonnenten. Die Strategie, nur noch einen Artikel frei anzubieten und danach zum Abschluss eines (Probe-)Abos aufzurufen, das 17 Dollar pro Monat kostet, scheint aufzugehen. Das weitere Wachstum soll auch aus dem Ausland kommen. Schon jetzt kommen 18 Prozent des Umsatzes aus dem Ausland, wie der Deutschlandfunk in einer Analyse der NYT-Geschäftszahlen schreibt.

Übersicht über Finanzierungsmodelle für Medien

Von solchen Zahlen können deutsche Verlage nur träumen. Klar, der Vergleich hinkt, die USA sind viel größer als Deutschland, die New York Times ist eine Weltmarke und es verstehen viel mehr Menschen auf der Welt Englisch als Deutsch. In Deutschland gibt es mit Spiegel, Zeit, Süddeutscher Zeitung, FAZ und vielleicht noch dem Handesblatt nur eine Handvoll Titel, die auch für ausländische Leser interessant sein könnten, meint Kai-Hinrich Renner in der Berliner Zeitung. In seinem lesenswerten Artikel diskutiert er alle gängigen Modelle der Finanzierung von Medienangeboten: Crowdfunding, Einzelverkauf von Artikeln, Stiftungsgelder und schließlich die staatliche Förderung.

Viel Kritik am Modus der staatlichen Presseförderung

Da hat sich im November Bahnbrechendes ereignet: Erstmals in der bundesdeutschen Geschichte gibt es staatliche Subventionen für die Presse: 220 Millionen Euro stellt das Bundeswirtschaftsministerium für „Innovationsförderung“ zur Verfügung. Die Verlage sollen so die digitale Transformation ihrer Unternehmen vorantreiben.

Doch es gibt jede Menge Kritik an dem Deal: Die Subventionen sollen nach der Auflagenhöhe ausgezahlt werden, das bevorzugt größere Medienunternehmen. Wer hat, dem wird gegeben. Weil auch Onlineshops und Rubrikenportale, über die Immobilien und Autos verkauft werden, gefördert werden, stellt sich die Frage, ob Wirtschaftsminister Altmaier wirklich dem Journalismus helfen will.

Auch Günter Herkel kann dem staatlichen Hilfspaket im Verdi-Magazin Menschen Machen Medien wenig abgewinnen. Er sieht darin eine „staatlich unterstützte Pressekonzentration“. Innovation im deutschen Journalismus sei bislang überwiegend woanders entstanden, in speziellen Labs von SWR, ZDF und MDR, am Medieninnovationszentrum Babelsberg oder am MediaLab Bayern.

Innovation sponsored by Google

Zu den größten finanziellen Förderern von Innovationen im deutschen Journalismus zählt ja interessanterweise Google, obwohl der US-Internetkonzern seit Jahren mit der deutschen Verlagslandschaft über das Leistungsschutzrecht streitet (wir berichteten). Auch Medienforscher Christopher Buschow hält die Tatsache, dass es bei der Innovationsförderung Google braucht, im lesenswerten Interview mit netzpolitik.org für einen „bezeichnenden und tragischen Befund“.

Buschow hat übrigens kürzlich mit Christian-Mathias Wellbrock ein Gutachten zur Innovationslandschaft des Journalismus in Deutschland verfasst, in dem er u.a. die Barrieren für Innovation benennt und Empfehlungen für eine Innovationspolitik im deutschen Journalismus gibt.

Arbeitskreis Digitale Publisher kritisiert Wettbewerbsverzerrung

Protest ruft die geplante Presseförderung bei digitalen Publishern hervor, die nach Lage der Dinge keine Zuschüsse aus dem Topf erhalten würden. 31 von ihnen haben sich im Arbeitskreis digitale Publisher zusammengeschlossen und eine Erklärung abgegeben, in der sie sich gegen diese „massive Wettbewerbsverzerrung“ wenden und eine Gleichbehandlung „sämtlicher Verbreitungskanäle – ob Text, Ton oder Bild“ fordern.

Krautreporter gewinnen neue Mitglieder

Zu den Unterzeichnern gehören auch die Krautreporter, die ein gutes Beispiel für den Ansatz sind, ein digitaljournalistisches Angebot ausschließlich über Mitgliedsbeiträge zu finanzieren. Das ist keine leichte Aufgabe, gerade in Corona-Zeiten. Nach mehrjährigem kontinuierlichem Wachstum waren die Mitgliederzahlen von Krautreporter seit Ende 2019 rückläufig. Die Redaktion startete daraufhin eine Werbekampagne, in der sie ihr Geschäftsmodell offenlegte und auch eigene Fehler eingestand. Der Aufruf zeigte die gewünschte Wirkung, Krautreporter konnte neue Mitglieder hinzugewinnen und die angestrebte 15.000er-Marke erreichen.

Das ist aller Ehren Wert, man muss aber auch dazu sagen, dass es immer wieder hartnäckigster Abo-Aufrufe (um nicht zu sagen Bettel-Mails) bedarf, um die Mitgliederzahl zu steigern bzw. konstant zu halten. Die Krautreporter machen auch noch immer Verlust, wie sie in ihrem Blogbeitrag auch schreiben. So sympathisch ich Krautreporter auch finde: Es ist noch immer ein Nischenangebot.

Will das Publikum inspirierenden Journalismus?

Die Krautreporter und noch stärker Perspective Daily zählen zu den Angeboten, die einordnenden und konstruktiven Journalismus machen. Auch wenn er sie namentlich nicht erwähnt, dürfte SZ-Innovationsexperte Dirk von Gehlen in seinem Blogbeitrag „Inspirierender Journalismus“ an sie gedacht haben. Darunter versteht er einen Journalismus, der „Denkwert“ liefert und seinen Leser:innen das Gefühl gibt, „nachher mehr Möglichkeiten zu haben, mehr Dinge (und vielleicht auch Lösungen) zu sehen.“ Mit einem Journalismus, der das schafft, lassen sich auch langfristig digitale Bezahlmodelle begründen, meint von Gehlen.

Sowohl Krautreporter als auch Perspective Daily zählen zu den Redaktionen, die großen Wert auf die Zusammenarbeit mit Ihren Mitgliedern legen. Etwa, indem sie nach gewünschten Themen Fragen oder das Wissen ihrer Community bei der Recherche anzapfen.

Auch Journalismus-Forscherin Alexandra Borchardt konstatiert im journalist, dass sich junge Leute „mehr Nutzwert für ihr Leben, bessere Erklärungen und gerne auch ein bisschen Spaß wünschen“. Ihr Beitrag „Das Ende des journalistischen Bauchgefühls“ ist ein Plädoyer dafür, dass Journalisten mehr und genauer auf das hören sollten, was sich das Publikum wünscht und was es braucht. Ihr Fazit: „Journalismus ist manchmal Kunst, aber viel öfter Dienstleistung. Seine Grundhaltung ist Mut. Vor allem sollte es aber auch Demut sein.“

Ins gleiche Horn stößt Vice-Chefredakteur Felix Dachsel in seinem Blogpost über die Frage, was der deutsche Journalismus von jungen Medien lernen kann: „Journalisten müssen schreiben, um ihr Publikum zu erreichen, sonst kann man es auch bleiben lassen.“

Google zeigt Infokästen des Gesundheitsministeriums

Auch im November war Google wieder in den Medien-Schlagzeilen, allerdings weniger wegen seiner Innovationsförderung, sondern wegen eines Deals mit dem Bundesgesundheitsministerium. Wer nach Krankheiten wie „Coronavirus, Influenza, Grippe oder Allergie“ sucht, bekommt auf Google Infokästen mit Informationen vom und Links zum Gesundheitsministerium angezeigt. Insgesamt gibt es 160 solcher „Knowledge Panels“. Den Zeitschriftenverlegern gefällt das gar nicht, sie sehen in dem Angebot eine „Verdrängung der privaten Presse durch ein staatliches Medienangebot auf einer digitalen Megaplattform“ und damit einen „einmaligen und neuartigen Angriff auf die Pressefreiheit“. Auch Presseverlage beschweren sich. „Nur empören sich vor allem die besonders laut, die vorher stumm Googles Geld genommen hatten“, schreibt dazu die taz mit Blick auf das Google-Geld aus der Digital News Initiative.

Ethische Verfehlungen bei Berichten über Terroranschlag in Wien

Am 2. November kam es in Wien zu einem Terroranschlag, bei dem ein vermutlich islamistisch gesinnter Mann vier Passanten erschoss, ehe er von der Polizei getötet wurde. Breaking News-Lagen sind immer auch eine Herausforderung für Medien. Daran gescheitert sind einige Boulevardmedien, vor allem Oe24 und die Kronen Zeitung in Österreich, die Video- und Bildmaterial veröffentlichten, auf dem zu sehen ist, wie ein Opfer erschossen wird. Beim österreichischen Presserat gingen mehr als 1500 Beschwerden ein, so viele wie nie zuvor, wie Der Standard berichtet.

In Deutschland hat die Bild falsche Gerüchte verbreitet, etwa, dass es eine Geiselnahme in einem Schnellrestaurant gegeben habe. Das Bildblog hat noch mehrere Bild-Fehler zusammengetragen.  

In unmittelbarer Nähe zu den Tatorten in der Wiener Innenstadt war zum Tatzeitpunkt auch Florian Klenk, Chefredakteur des Wochenmagazins „Falter“. Er twitterte viel zu den Ereignissen, warnte, verbreitete auch einen Fehlalarm der Polizei und zählte zu den ersten Journalisten, die den Namen des getöteten Attentäters nannten. Dafür hat er jede Menge Kritik einstecken müssen. In einem lesenswerten Interview mit Übermedien nimmt Falter zu der Kritik Stellung, besonders interessant finde ich die Passagen, in denen es darum geht, ob und wenn ja in welchem Maß Journalisten über solche Attentäter und über die Opfer berichten sollen.

Journalismus&Netz im Oktober: Google umgarnt die Medien, staatliche Presseförderung, Instagram überholt Facebook

Diese Ausgabe stellt Googles Aktivitäten, auf unterschiedlichen Wegen die Medien zum Freund zu gewinnen in den Fokus. Außerdem geht es um die staatliche Presseförderung in Deutschland und die wichtigsten Erkenntnisse der ARDZDF-Onlinestudie. 

Google zahlt freiwillig Lizenzgebühren – an ausgewählte Verlage

Im Oktober stand Googles Verhältnis zum Journalismus mehrmals in den Medien-Schlagzeilen. Zum einen wegen der Ankündigung, Verlagen weltweit in den kommenden drei Jahren eine Milliarde US-Dollar (das sind rund 855 Millionen Euro) für die Einbindung von Verlagsinhalten auf Google News zu zahlen. 

Zum anderen wegen einer Studie, die untersucht, wie Google Medienverlage mit Mitteln der Digital News Inititative umgarnt. 

Fangen wir mal mit dem neuen Dienst “Google News Showcase” an. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Funktion innerhalb der Google News-Suche, in dem “qualitativ hochwertige, journalistische Artikel dargestellt werden, für die Google Lizenzgebühren bezahlt”, wie es im Google Blog heißt

Für so genannten „Story Panels“ können teilnehmende Medien (in Deutschland sind das zum Start 50 Publikationen aus 20 Medienhäusern wie „Zeit“, T-Online und Spiegel) eigene Inhalte auswählen und mit Kontext sowie weiterführenden Links anreichern. Diese Story Panels werden Google-News-Nutzern in ihren personalisierten Feeds angezeigt.  

So soll Googles Showcase-Funktion auf dem Smartphone aussehen. Bild: Google.

Darüber hinaus erwirbt Google auch Lizenzen an Artikel aus kostenpflichtigen Angeboten einzelner Verlage, um sie den Leser:innen kostenlos anbieten zu können – wenn Verlage das wollen, denn es besteht damit auch ein bisschen die Gefahr, dass sie auf diese Weise ihre kostenpflichtigen Abonnements unterminieren. 

Unklar ist weiterhin, welcher Verlag nach welchen Kriterien wie viel Geld für die Teilnahme bekommt. Und auch welche Verlage überhaupt mitmachen dürfen und nach welchen Kriterien Google das wiederum auswählt. 

Springer und SZ machen nicht mit

Nicht dabei sind zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung und der Axel Springer-Verlag. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner erklärte schon früh, Googles „Geschenke an die Verlage“ nicht annehmen zu wollen. Der US-Konzern solle lieber das auf Druck der deutschen Presse geschaffene Leistungsschutzrecht für Presseverlage achten und die Verlage auf diesem Weg kofinanzieren.

Womit wir wieder beim Leistungsschutzrecht wären. Das ist ja Teil der EU-Urheberrechtsreform, die bis Mitte 2021 in nationales Recht umgesetzt werden soll. Kürzlich erschien ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium und dort ist auch geregelt, wie lang der Vorschau-Text in den Google-Snippets sein darf. In den bisherigen Entwürfen war Vorschautext für bis zu acht Wörter lizenzierungsfrei. Diese konkrete Zahl ist jetzt weggefallen, erlaubt sind „einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge“. Diese vage Formulierung entspricht wörtlich der Formulierung in der EU-Richtlinie und dürfte nach Ansicht von Experten noch Gerichte beschäftigen. Diese Änderung kam wohl auf Druck von Kanzleramt und Wirtschaftsministerium zustande, die beide gut mit der Verlegerlobby vernetzt sind.

Digital News Initiative: Wer hat, dem wird gegeben

Google versucht schon seit längerer Zeit, Verlage gewogen zu stimmen. Ein Mittel dabei ist die “Digital News Initiative”, mit der Google die Erforschung und Entwicklung neuer Medienformate unterstützt. In den vergangenen fünf Jahren hat Google weltweit dafür 150 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt. Wie sich das Geld verteilt, steht im Abschlussbericht der der “Digital News Initiative” (DNI). 

Einen deutlich kritischeren Blick auf die DNI wirft die Studie “Medienmäzen Google – wie der Konzern den Journalismus umgarnt”, die Ingo Dachwitz und Alexander Fanta für die gewerkschaftsnahe Otto-Brenner-Stiftung erstellt haben. Von den DNI-Mitteln profitiert haben den Autoren zufolge vor allem etablierte deutsche Großverlage wie der Spiegel, die Wirtschaftswoche und das Handelsblatt. 

Dachwitz sieht das sehr problematisch: „Google stößt in eine Lücke vor, die die Verlage in Sachen Innovation offengelassen haben. Da ist so ein bisschen die Haltung: Der Journalismus braucht eigentlich jede Hilfe, die er kriegen kann, und kann deshalb auch nicht wählerisch sein, von wem es Geld gibt”, sagt er dem NDR. Dachwitz und Fanta folgern aus ihrer Studie sechs Thesen zum Verhältnis von Google und Medienlandschaft:

1. Googles Medienförderungen ist ein strategisches Instrument für die Zwecke des Konzerns.

2. Das Google-Geld weckt bei Journalistïnnen Sorgen vor korrumpierender Nähe.

3. Die Google-Förderungen stärken das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Medienhäusern.

4. Die Medienbranche büßt durch Googles Fördergelder für Forschung und Kongresse die Fähigkeit zur eigenständigen Selbstreflexion ein.

5. Google versucht, zur dominanten technologischen Plattform für das Nachrichtenökosystem zu werden.

6. Förderungen müssen offengelegt werden und es braucht Alternativen zum Google-Geld.

Ich habe selber schon am einen oder anderen Google-Training teilgenommen, prinzipiell teile ich aber die Thesen der beiden und die damit verbundene Sorge, dass sich Verlage, aber auch (junge) Journalisten zu abhängig von Google machen könnten.

Google bietet neue Tools für Journalisten

Google hat eine Reihe von (mit Mitteln aus der Digital News Initiative geförderten) Tools, die auch Journalisten gut gebrauchen können, auf der Seite “Journalist Studio”  zusammengefasst. Viele davon wie das Tool Flourish haben mit Datenauswertung und -visualisierung zu tun. 

Es schadet meines Erachtens nicht, diese Tools mal auszuprobieren, um herauszufinden, welches für die eigene Arbeit sei es als Freier Journalist oder auch in der Redaktion nützlich sein könnte. Denn eines muss man Google lassen: Das Unternehmen ist innovativ und experimentierfreudig. Auf der anderen Seite sollten Journalisten immer auch nach Alternativen schauen, um sich nicht zu abhängig von Google zu machen und nie die Frage “Warum macht Google das?” aus den Augen verlieren (siehe die sechs Thesen von Dachwitz und Fanta). 

Verlage bekommen 180 Millionen für Digital-Investitionen

Schneller als an mögliches Geld aus dem Leistungsschutzrecht werden deutsche Verlage an Mittel der staatlichen Presseförderung kommen. Im Juli hatte der Bundestag eine Förderung von bis zu 220 Millionen Euro auf mehrere Jahre verteilt beschlossen. Jetzt gibt es ein konkretes Konzept des Wirtschaftsministeriums: 180 Millionen davon sollen bereits 2021 fließen und zwar für Investitionen, die Verlage in den Ausbau ihrer digitalen Aktivitäten investieren wie zum Beispiel der Aufbau von Online-Shops, Rubrikenportalen und Apps. Nach welchen Kriterien das Geld an einzelne Verlage verteilt werden soll und was die Reaktionen darauf sind, steht im Hintergrundartikel des Deutschlandfunks. 

Mediennutzungstudie: Instagram überholt Facebook

Eine der gerade für Deutschland relevantesten Studien zur Mediennutzung ist die ARDZDF Onlinestudie. Die jüngste Ausgabe fördert zutage, dass Instagram Facebook überholt hat, wenn auch nur ganz knapp: 15 Prozent der Menschen in Deutschland nutzen Instagram täglich. Facebook kommt nur noch auf 14 Prozent. Twitter, Twitch und auch das gerade so angesagte TikTok sind laut der Studie nur Nischendienste, TikTok angeblich auch nur bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. TikTok selbst sagt, dass man sich zu einem Massenmedium entwickle, das auch bei älteren Menschen gut ankomme. Bei den Messengern ist WhatsApp der unangefochtene Marktführer. 

Bei den genutzten Medien gewinnen Audio und Video weiter an Bedeutung – zu Lasten der Texte. Besonders beliebt sind Streaming-Plattformen wie Netflix und Spotify. Mediatheken legen zwar auch zu, aber eher bei älteren Personen. Eine gute und übersichtliche Zusammenfassung der Studie gibt es auf dem WDR-Blog “Digitalistan”, auf der Übersichtsseite zur Onlinestudie gibt es zahlreiche weiterführende Links etwa zu Infografiken oder einzelnen Aspekten der Mediennutzung. 

BR bekommt erstmals eine Intendantin

An dieser Stelle passt auch gut die Nachricht, dass Katja Wildermuth zur neuen Intendantin des Bayerischen Rundfunks gewählt worden ist. Zu ihren wichtigsten Aufgaben wird es gehören, den trimedialen Umbau des BR voranzutreiben und den BR auch für jüngere Zielgruppen interessanter zu machen. Das Handelsblatt hat einen Hintergrundbericht zu Wildermuths Karriere und den anstehenden Aufgaben. 

Podcast-Kurs zu Medieninnovationen

Im Rahmen der Münchner Medientage fand auch die Innovation Week des Media Lab Bayern statt. Hier gab es vier Kurse mit einer Reihe von praktischen Tipps, wie man Medieninnovationen in die Tat umsetzt: Wie man neue Ideen findet, ein neues Geschäftsmodell kreiiert, einen datengetriebenden Newsroom aufbaut oder eine Innovationsstrategie findet. Die zugehörigen Podcast-Folgen (fünf pro Kurs) sind hier abrufbar. 

Nach welchen agilen Prinzipien die Entwicklungsredaktion des BR arbeitet, erklärt meine Kollegin Manuela Baldauf in diesem Blogpost.  

Gigantische OSINT-Toolsammlung 

Zum Abschluss gibt es noch ein paar Hundert Tooltipps. Ja, richtig gelesen. Über den sehr empfehlenswerten Podcast des OSINT-Curious-Kollektivs bin ich auf die größte mir bekannte Sammlung von OSINT Tools gestoßen: Das OSINT-Handbook 2020 der Schweizer Unternehmensberatung I-Intelligence listet in einem 500 Seiten starken pdf Tools für alle möglichen Arten der Informationsgewinnung auf: (Social-Media-)Suchmaschinen, Personensuche, Unternehmenssuche, Suche im Dark Web, Foto- und Videoanalyse, Datenvisualisierung oder Tools zur Geolokalisierung, um nur ein paar Kategorien zu nennen. Nachteil: Es handelt sich um eine unkommentierte Linksammlung, aber vielleicht ist die eine oder andere gute Anregung dabei. 

Journalismus&Netz im September: Digital-Abo-Rekorde, Presserat rügt Clickbaiting, neue Features beim Datawrapper

Die Zeit und die Süddeutsche Zeitung freuen sich über Rekordzahlen bei den Digitalabos, der Presserat rügt Clickbaiting-Überschriften bei „Der Westen“ und für die Gestaltung von Karten beim Datawrapper gibt es noch mehr Möglichkeiten.

SZ: Stellenabbau trotz Digital-Abo-Rekord

Die Süddeutsche Zeitung kommt nicht zur Ruhe: Im Frühjahr wurden die Mitarbeiter wegen der Corona-Krise in Kurzarbeit geschickt. Mitte September verkündete die Geschäftsführung der Südwestdeutschen Medienholding, der die SZ gehört, ein großes Sparprogramm: Bis zu 50 RedakteurInnen sollen gehen, je schneller sie das tun, desto mehr Abfindung bekommen sie. Anne Fromm hat die Hintergründe und auch die Reaktionen der Redaktion in der taz gut zusammengefasst.

Zwar war der Stellenabbau schon länger geplant, verwundert angesichts der steigenden Digital-Abonnenten-Zahlen allerdings doch ein wenig. Anfang September gab die SZ bekannt, bereits jetzt 150.000 Digital-Abonnenten zu haben, eine Zahl, die ursprünglich erst zum Ende des Jahres erreicht sein sollte.

Digital-Abo-Rekord auch bei der Zeit

Auch bei der ZEIT gibt es einen Digital-Abo-Rekord: Im Juni hat die Wochenzeitung die 100.000er Marke geknackt. Im Interview mit kress.de erläutert Chefredakteur Jochen Wegner die verschiedenen Abstufungen des Abo-Modells. Interessant: Die Zeit hat eine Zeit lang damit experimentiert, die Entscheidung, welcher Artikel kostenpflichtig ist, automatisiert, d.h. von einer Art KI treffen zu lassen, war damit aber nicht zufrieden. Nun entscheiden wieder Journalisten, was frei zu lesen ist und was nur mit Anmeldung. Natürlich schaut die Redaktion genau hin, welche Artikel die meisten Abos generieren: „Am besten funktionieren lebensweltliche Geschichten, also zum Beispiel über Beziehungen und Familie, über Ernährung, Gesundheit und Arbeit“, verrät Wegner.

Auch die Schwäbische Zeitung analysiert sehr genau, welche Artikel Abos generieren. Dabei kommt seit 2018 das selbst entwickelte Artikel Score zum Einsatz. Im Kress.de-Interview berichtet Chief Data Officer Steffen Ehrmann davon, dass er damit schon vor der Veröffentlichung die Reichweite eines Artikels vorhersagen kann – bis auf 10 Prozent. 

Presserat rügt Clickbaiting beim Westen

Manche Redaktionen setzen darauf, die Reichweite ihrer Artikel durch Clickbaiting-Überschriften zu steigern. Stefan Niggemeier von Übermedien ist hier Der Westen besonders unangenehm aufgefallen (siehe Journalismus&Netz im April), und hat sich beim Presserat über drei besonders irreführende Überschriften beschwert – und Recht bekommen. Auf seinem Blog schildert Niggemeier die Beispiele, die Einschätzung des Presserats – und die Reaktion von „Der Westen“ darauf.  

Auch mediasres, das Medienmagazin des Deutschlandfunks, hat sich Ende September grundsätzlich mit der Unsitte des Clickbaitings beschäftigt und dabei auch mit Martin Potthast, Informatikprofessor an der Uni Leipzig, gesprochen, der zu dem ernüchternden Fazit kommt: „Denn Clickbaiting funktioniert ja – und wird eingesetzt, weil es funktioniert“.

Wie der Spiegel die U30-Zielgruppe für sich gewinnen will

Im Sommer wurde bekannt, dass der Spiegel seine junge Plattform Bento einstellt und die U30-Zielgruppe künftig mit dem Angebot „Spiegel Start“ versorgen will. Ende September ist Spiegel Start nun tatsächlich gestartet. Der Fokus liegt eindeutig auf Karrierethemen, die bei Bento zwar auch vorkamen, aber nicht so prominent. (siehe auch die Besprechung von Spiegel Start bei Horizont). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Blog-Eintrag der Spiegel-Entwicklungsredaktion, in dem sie erläutert, wie sie künftig den Anteil von AbonnentInnen unter 30 „signifikant“ erhöhen will. 

Massenkommunikations-Studie: Video vor Audio vor Text

Mediennutzungsstudien gibt es zwar viele, aber nur wenige Langszeitstudien, wie die ARD/ZDF-Massenkommunikation-Studie eine ist. Kernerkenntnis: Video vor Audio vor Text. Klingt wenig überraschend, Medienberaterin Franziska Bluhm fasst die Ergebnisse zusammen – differenziert nach Altersgruppen, Ausspielwegen und Nutzungszeiten. Ihr Fazit: „Du musst verstehen, wie deine Zielgruppe tickt, um die perfekten Inhalte für sie bereitzustellen.“

30 Statistiken zu 30 Jahren Wiedervereinigung

Kurz vor dem 30. Jahrestag der Deutschen Einheit hat das Interaktiv-Team der Funke Mediengruppe 30 Statistiken visualisiert: Ein bunter Mix von Lebenserwartung über Gender Pay Gap, Autos, Millionäre, Sonnenstunden, aber auch kommunale Schulden. Der Gag dabei: Die NutzerInnen können Deutschland dabei mit einer virtuellen Schere in zwei beliebige Teile zerschneiden und bekommen dann für beide Teile den jeweiligen Wert angezeigt. Die Datenauswertung zeigt: „30 Jahre nach der Wiedervereinigung bleibt Deutschland in vielen Belangen ein geteiltes Land. Doch die Grenzen verlaufen nicht nur zwischen Ost und West.“

Datawrapper baut Karten-Funktionalitäten aus

Wer selber Karten bauen will, kann das ja schon länger mit der Kartenfunktion der webbasierten Visualisierungs-Plattform Datawrapper tun. Das Team hat die Karten-Gestaltung noch um einige Funktionalitäten erweitert: So kann man zum Beispiel nun einstellen, wie viele Stufen eine Farbskala umfassen soll. Diese und weitere Neuerungen erläutern Gregor Aisch und Lisa Charlotte Rost im Datawrapper-Blog.   

Ich schließe diesen Rückblick mit fünf Hacks für die Produktion von Instagram Stories, die meine auf Instagram aktiven BR-Kollegen zusammengetragen haben.  

Journalismus&Netz im August: Facebook News expandiert, lohnender Cookie-Verzicht, Käufer für Buzzfeed Deutschland

Was es bedeutet, wenn Facebook News auch nach Deutschland kommt, warum der niederländische Rundfunk ohne Cookies höhere Anzeigeneinnahmen hat und wer Buzzfeed Deutschland übernimmt.

Facebook News kommt nach Deutschland

Am 25. August hat Facebook bekannt gegeben, dass sein News-Programm auch auf Deutschland ausgeweitet wird. Bei Facebook News handelt es sich um einen Navigationspunkt in der Facebook-App: Wer darauf klickt, bekommt Inhalte von ausgewählten Medien angezeigt. Dabei handelt es sich um eine Mischung von Inhalten, die ein Facebook-Redaktionsteam auswählt und automatisiert einfließenden Nachrichten, die sich an den Interessen des Nutzers orientieren. Wenn Nutzer einen Artikel anklicken, werden sie direkt auf das Online-Angebot der jeweiligen Medienseite weitergeleitet.

Das Social-Media-Platzhirsch versucht das Verlagen damit schmackhaft zu machen, dass sie für die Anzeige ihrer Inhalte in Facebook News Geld bekommen und zudem neue Zielgruppen erschließen könnten.

Das klingt erst mal gut und doch bleiben einige Fragen offen: Wie viel Geld gibt es genau? Nach welchen Kriterien wird es verteilt? Wer darf überhaupt mitmachen? Und nach welchen Kriterien wählt Facebook aus, welche Verlage mitmachen dürfen? In den USA ist zum Beispiel das rechtslastige Portal Breitbart dabei, das Lügen und Desinformation verbreitet. Die Aufnahme von Breitbart in Facebook News hat in den Vereinigten Staaten zu einigen Kontroversen geführt.

Facebook entscheidet, welche Angebote mehr Sichtbarkeit bekommen

Und vor allem: Warum macht Facebook das? Jörg Schieb vom WDR sieht in dem Programm einen Schachzug Facebooks, um seine Macht darüber auszuweiten, was wir zu sehen bekommen und was nicht. Mit den Algorithmen sei das ohnehin schon so, „und jetzt legt das Unternehmen auch noch fest, welche Info-Angebote auf Facebook mehr Sichtbarkeit bekommen“, schreibt Schieb.

Mit dem News-Programm will Facebook den Menschen „verlässliche Nachrichten“ bieten, wie es in der Pressemitteilung heißt. Diese Aussage muss man im Zusammenhang mit den Vorwürfen sehen, Facebook würde Hass und Hetze zu viel Platz zu bieten. In den vergangenen Monaten hat sich das Unternehmen bemüht, solche Seiten von seiner Plattform zu nehmen, etwa das „Compact“-Magazin oder Seiten, die mit der Verschwörungstheorie QAnon sympathisieren.

Verlage tracken ihre Nutzer im Netz

Auch wenn viele deutsche Medienverlage in den letzten ein, zwei Jahren ihre Paid-Content-Angebote ausgebaut haben bzw. mehr Inhalte hinter der Paywall platzieren, spielen Werbeeinnahmen weiterhin eine große Rolle bei der Finanzierung. Kern des Geschäftsmodells ist, die Werbeplätze auf der eigenen Website bzw. in der App in Echtzeit zu versteigern – und zwar anhand der Interessen der NutzerInnen.

Um diese zu erfahren, setzen Verlage massiv Cookies ein (bild.de zum Beispiel mehr als 150), nicht nur eigene, sondern vor allem Cookies von Drittanbietern wie den Werbenetzwerken von Google, Outbrain oder Taboola. Diese Third Party Cookies zeichnen auch auf, auf welchen Seiten sich der Nutzer sonst so bewegt – durch dieses Tracking entstehen persönliche Nutzerprofile, wie Thorsten Kleinz auf Übermedien anschaulich erklärt.

Von den Erlösen, die die Verlage für die Anzeige von Werbung auf ihren Websiten bekommen, zwacken sich die Werbenetzwerke einen Teil ab, im Fall des Google Ad Networks sind es etwa 30 Prozent.

Höhere Werbeeinnahmen ganz ohne Cookies

Dass man auch ohne Cookies, Tracking und Targeting Geld mit Anzeigen verdienen kann, beweist NPO, der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Niederlande. Seit diesem Jahr setzt man dort komplett auf so genannte kontextuelle Anzeigen. Werbetreibende bieten dafür, dass ihre Anzeigen in bestimmten Sendungen, etwa bei „Bauer sucht Frau“ (ja, das gibt’s auch in den Niederlanden…) oder bei bestimmten Themen wie Sport, Liebe, Religion oder Politik angezeigt werden.

Seit NPO nur noch kontextuelle Anzeigen anbietet, sind die Werbeinnahmen sogar deutlich gestiegen, was auch damit zusammenhängt, dass NPO nichts mehr an Ad Tech-Firmen wie Google oder Facebook abtreten muss. Wie das Modell (auch technisch) genau funktioniert und warum es gerade im Journalismus Sinn macht, steht in dem sehr lesenswerten Wired-Artikel „Can Killing Cookies Save Journalism?

Smartphones sind wahre Datenschleudern

Auch die Süddeutsche Zeitung hat sich in den vergangenen Wochen in einer Artikel-Reihe mit dem Thema Datenschutz befasst. Anhand eines speziell präparierten Smartphones zeigte die SZ, wie viele sensible Daten bei der Smartphone-Nutzung anfallen, wie und an wen Apps und Websites diese persönlichen Daten weitergeben, ohne dass die Nutzer wissen, was genau damit passiert.

Die Beiträge dazu sind auf einer Landing Page zum Projekt „Datenjagd“ versammelt, auf der immerhin auch der Hinweis steht, dass auch die SZ selbst Cookies und Tracking-Tools einsetzt, mithin also auch zu den fleißigen Datensammlern gehört. Interessant ist auch der Werkstattbericht, in dem zwei SZ-Journalisten erzählen, wie sie „Datenjagd“ konzipiert haben: von der Einrichtung des Smartphones der Testperson über die Auswertung der Daten bis hin zur multimedialen Aufbereitung der Ergebnisse.

Ippen Digital übernimmt Buzzfeed Deutschland

Im Mai hatten wir hier berichtet, dass Buzzfeed Deutschland zum Verkauf steht. Nun hat sich ein Käufer gefunden: Das Portal, das auf eine Mischung aus Unterhaltung und investigative Recherche setzt, wechselt unter das Dach von Ippen Digital. Dieses Redaktionsnetzwerk mit mehr als 80 Web-Portalen in Deutschland, gehört zum Imperium des Verlegers Dirk Ippen, der unter anderem den Münchner Merkur und die Frankfurter Rundschau herausgibt. Die SZ schildert, warum Ippen Digital zugegriffen hat und was man sich von der Übernahme verspricht.

Recherche-Plattform Addendum wird eingestellt

Keine Zukunft hat hingegen das österreichische Recherche-Portal Addendum. 2017 war das von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz finanzierte Angebot an den Start gegangen, um grundlegende Themen wie zum Beispiel den Klimawandel im Rahmen von mehreren Artikel aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Dabei ging die Redaktion von einem traditionell-konservativen Blickpunkt an die Themen heran.

Die Pressemitteilung zur Addendum-Einstellung ist dürr geraten, es heißt lediglich, dass es „trotz erheblichen Mitteleinsatzes und einer Reihe erfolgreicher und relevanter Rechercheprojekte“ nicht gelungen sei, „die Zielsetzungen der Stiftung in ausreichendem Maß zu erfüllen“. Hauptziel war es, „das demokratische Staatswesen durch staatsbürgerliche Bildung zu fördern“.

Was Mäzen Mateschitz bewogen hat, Addendum den Saft abzudrehen, darüber kann nur spekuliert werden. Ralf Leonhard schreibt in der taz: „In jedem Fall zeigt die Sache, dass Journalismus, wenn er auf das Mäzenatentum Einzelner aufbaut, ein kurzes Vergnügen sein kann.“

Wie man sich einen Sockenpuppen-Account einrichtet

Zum Abschluss gibt es noch einen handwerklichen Tipp. Bei Recherchen zu sensiblen oder kontroversen Themen kann es für JournalistInnen auch aus Gründen des Eigenschutzes sinnvoll sein, nicht unter dem richtigen Namen aufzutreten. Auf osintcurious gibt es praktische Tipps, wie man sich für Recherchen in sozialen Netzwerken einen Sockenpuppen- bzw. Fake-Account anlegt und was man dabei beachten sollte.

Journalismus&Netz im Juli: Tipps für Innovation, die Werte der SZ, Recherche auf TikTok

Was es bei innovativen Projekten zu beachten gilt, warum der Wertekompass der SZ für Diskussionen sorgt und wie man auf TikTok recherchiert.

Vor fünf Jahren ist das Media Lab Bayern an den Start gegangen, um als Inkubator Innovationen im Medienbereich zu fördern. Auch einige journalistische Angebote waren darunter, wie Der Kontext, Wafana oder The Buzzard. Auf Medium zieht Media-Lab-Leiterin Lina Timm Bilanz. Interessant und ehrlich finde ich vor allem diese Erkenntnis:

Man kann nichts neu machen, ohne Altes abzuschaffen. 99% der Ideen gibt es schon. Der Großteil, wenn nicht gar alle Innovationen sind eine Verbesserung von bestehenden Dingen.

Und dann berichtet Timm von fünf Lektionen, von denen ich exemplarisch die zweite erwähne: Hinterfrage alles. Damit meint sie, dass neue Ideen nur entstehen, wenn man die Routine hinterfragt. (Es gibt auch eine offizielle Jubiläums-Seite des Media Labs mit Zahlen, einer Timeline und Learnings).

Nutzerzentrierte Formatentwicklung beim BR

Wie Innovation bzw. die neue Contentstrategie die Unternehmenskultur beim Bayerischen Rundfunk (für den ich auch arbeite) ändert, schildert Salvan Joachim, Teamlead Digitale Formatentwicklung, im BR-Next-Blog auf Medium. Joachim legt dar, wie der BR neue Formate entwickelt: Am Anfang der dreistufigen Content-Strategie steht die Zielgruppendefinition. Der BR hat sich genau angeschaut, welche Zielgruppen er gut erreicht, welche weniger und welche noch so gut wie gar nicht.

Darauf baut eine nutzerzentrierte Formatentwicklung (zum Beispiel die News-WG) auf und schließlich werden klare Ziele in Form von KPIs festgelegt und evaluiert. Diese nutzerzentrierte Formatentwicklung hat zu einem Kulturwandel im BR geführt:

„Wo Führungskräfte früher gewohnt waren, das Gespräch einzuleiten mit ‚Ich will, dass wir X machen‘ oder ‚Meine Tochter ist 15 und jetzt auf Plattform Y‘, da beginnen die Gespräche jetzt immer öfter mit ‚Was hat die Beschäftigung mit der Zielgruppe ergeben?’“

Neue Kanäle zu bespielen, ist nur bedingt innovativ

Auch Johannes Klingebiel hat sich in den vergangenen Jahren mit Medieninnovationen beschäftigt, und zwar für die Süddeutsche Zeitung (SZ). Über seine Erfahrungen berichtet er auf seinem Blog, der erste Beitrag zieht ein eher pessimistisches Fazit. Klingebiel findet, dass Innovation im Journalismus in den letzten zehn Jahren fast ausschließlich das Erschließen neuer Distributionskanäle bedeutete (VR, Voice, Chatbots):

„Wer seine Mitarbeiter nur über VR-Brillen und Roboterjournalisten sinnieren lässt, hält sie weit weg vom operativen Tagesgeschäft und verhindert so echte Veränderung am Geschäftsmodell, der Organisationsstruktur oder Unternehmenskultur.“

Oft werde alter Wein in neue Schläuche gegossen und dies als Innovation verkauft anstatt grundlegend den Journalismus zu verändern.

SZ definiert ihr Selbstverständnis

Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung, in deren Innovationsabteilung Klingebiel arbeitet, hat vor einigen Wochen ihr Selbstverständnis in ein Zehn-Punkte-Papier gefasst, das „in der digitalen Transformation als Kompass dienen soll“. Im Wesentlichen geht es um journalistische Standards, der digitale Wandel wird eher am Rande thematisiert, am stärksten in Punkt 7, in dem es heißt:

„Die Redakteurinnen und Redakteure begreifen den digitalen Raum als Experimentierfläche und wollen selbstbewusster Vorreiter für digitalen Qualitätsjournalismus sein, vom multimedialen Longread bis hin zur Podcast-Serie – ohne dabei auf jeden Trend aufzuspringen.“

Auf piqd wurde das Papier kritisch diskutiert („warum muss man das überhaupt veröffentlichen?“, „ziemliches Armutszeugnis“, „Selbstverständlichkeiten“). Die ehemalige SZ-Mitarbeiterin Dorit Kowitz kritisiert, die neue Co-Chefredakteurin Judith Wittwer sei„quasi schon vor Antritt entmachtet worden, indem man ihr komplett neu umgebaute Ressorts und Ressortleitungen vor die Nase setzt, ohne ihre Expertise abzuwarten, ohne ihr Zutun“. Über die Umbesetzungen hatte die Berliner Zeitung berichtet.

Kress Pro-Chefredakteur Markus Wiegand hält das Wertepapier für den „Gipfel der Naivität“. Er stört sich vor allem an dem Satz „Die Qualität eines Textes und dessen kommerzieller Erfolg sind grundsätzlich getrennt zu betrachten.“ Wiegand sieht das genau anders herum: „Die Qualität eines Textes und dessen kommerzieller Erfolg können nicht getrennt voneinander betrachtet werden.“ Künftig würden Medien noch stärker über das Geld der Nutzer finanziert werden. Deswegen werde die Fähigkeit, Inhalte digital zu verkaufen, „entscheidend dafür sein, wie groß Redaktionen künftig sein werden“.

Eine heikle Diskussion. Ja, Medien müssen sich verkaufen, aber ich finde, dass diesem Ziel nicht die gesamte Themenauswahl und -aufbereitung untergeordnet werden darf. Journalismus ist mehr als ein Produkt und hat auch eine gesellschaftliche Aufgabe: Auf Missstände hinweisen, Öffentlichkeit herstellen, durch fundierte und ausgewogene Berichterstattung Meinungsbildung ermöglichen. Dafür sollte meines Erachtens auch in Zukunft Platz sein, ganz unabhängig von der absoluten Reichweite oder Monetarisierung.  

100 Jahre Kicker: Branchenführer auch im Netz

Eine andere bekannte Printmarke war im Juli ebenfalls viel im Gespräch: Das Sportmagazin Kicker, das 100 Jahre alt geworden ist. Aus der großen Anzahl an Würdigungen habe ich die der SZ herausgegriffen, weil sie nicht nur rein deskriptiv die Stationen der Kicker-Geschichte herunterbetet, sondern das Magazin sehr treffend charakterisiert:

„Dass der Kicker sich selbst und vor allem den Fußball überaus ernst nimmt und man ihm gelegentlich wünscht, er möge öfter mal ein Lächeln aufsetzen, das gehört zu seiner überlieferten Kultur.“

Der Kicker ist auch eine erfolgreiche digitale Marke (weswegen er Eingang in diesen Rückblick findet). „Als digitales Medium ist der Kicker der Konkurrenz enteilt, mit schnellen, präzisen Informationen auf Abruf verdient er im Netz mehr Geld als in Handel und Vertrieb“, schreibt Selldorf weiter. Ich kenne kaum einen Fußballfan, der nicht die Kicker-App installiert hat und sich dort über seinen Lieblingsklub auf dem Laufenden hält. Gerade bei Spielen ist man mit dem Kicker-Ticker zumindest ein bisschen live dabei.  

Das Medienmagazin ZAPP muss sparen – und zugleich digitaler werden

Bei weitem nicht so gut geht es dem NDR-Medienmagazin „ZAPP“. Es soll zwar weiter im NDR-Fernsehen laufen, aber nur noch „in reduziertem Umfang“ produziert werden. Redaktionsleiterin Annette Leiterer rechnet damit, dass das Magazin ein Drittel seines Etats einbüßt. NDR-Intendant Joachim Knuth wünscht sich, dass das Magazin konsequenter den Weg ins Digitale beschreitet.

Ich finde, dass ZAPP dort schon ein gutes Angebot hat, ja, ich nehme ZAPP vor allem darüber wahr. Da Medienjournalismus ohnehin ein – wenn auch wichtiges – Nischenangebot ist, ist das Netz nicht der schlechteste (Verbreitungs-)Ort dafür. Welche Überlegungen es in der Redaktion gibt, wie man den Spagat aus linearer Fernsehsendung und non-linearen Online-Aktivitäten meistern könnte, zeichnet Jürn Kruse in einem lesenswerten Beitrag auf Übermedien nach.

Bund will Verlage mit 220 Millionen Euro unterstützen

Auch den deutschen Verlagen geht es wirtschaftlich überwiegend nicht besonders gut. Das war schon vor der Corona-Krise so, hat sich seither aber durch bröckelnde Anzeigeneinnahmen noch verschlimmert. Nun hat der Bundestag beschlossen, die Verlagsbranche in den kommenden Jahren mit bis zu 220 Millionen Euro zu unterstützen. Noch im vergangenen Jahr war eine „Zustellförderung“ im Gespräch, denn der Vertrieb von (Tages-)Zeitungen wird immer teurer.

Nun ist davon keine Rede mehr, die staatliche Hilfe soll den Verlagen nun bei der „digitalen Transformation“ helfen. Wie genau das aussehen soll und wer nach welchen Vorgaben Geld bekommen soll, ist noch ziemlich unklar. Sicher wird aber wieder die Frage aufgeworfen werden, ob sich staatliche Finanzspritzen mit der redaktionellen Unabhängigkeit vertragen. Die taz untersucht die wirtschaftliche Lage der Verlage und hat sich auch bei den medienpolitischen Sprechern der SPD und der Grünen umgehört. Martin Rabanus von der SPD schlägt eine Art „Spotify für Journalismus“ vor: Die Verlage stellen ihre Inhalte auf einer gemeinsamen Plattform zur Verfügung, die Nutzer zahlen einen Flatrate-Preis.

Online-Kiosk Blende wird verkauft

Große Hoffnungen hatten die Verlage 2015 in den Start des deutschen Ablegers des Online-Kiosks Blendle gesetzt. Dort waren anfangs alle großen Marken an einem Ort versammelt, dazu gab es die Möglichkeit, Artikel einzeln zu kaufen (oder auch ein Abo abzuschließen). Was praktisch klingt, hat aber – zumindest in Deutschland – nie so recht abgehoben, mehrere Verlage zogen sich wieder zurück. In den Niederlanden schien es besser zu laufen, allerdings wurde dort im vergangenen Jahr das Geschäftsmodell geändert: Statt einzelne Artikel zu kaufen, konnte man nur noch ein Blendle-Premium-Abo abschließen: Für 10 Euro monatlich können Nutzer von Blendle Premium unbegrenzt Artikel lesen.

Nun wird der Online-Kiosk vom deutlich größeren französischen Konkurrenten Cafeyn übernommen. Ob nach der Übernahme beide Plattformen erhalten bleiben, ist noch unklar. Felix Hooß, der von 2015 bis 2017 deutscher Chefredakteur bei Blendle war, berichtet in der FAZ über die Blendle-Geschichte und das, was über die Übernahme bekannt ist.

Wie die Suche auf TikTok funktioniert

Zum Abschluss gibt’s noch einen handwerklichen Tipp. Die Video-Plattform TikTok ist ja in aller Munde, auch Journalisten und Medien experimentieren dort. Wer wissen will, wer auf TikTok aktiv ist, wie das Storytelling dort funktioniert und vor allem, wie man dort recherchiert, dem sei dieses Webinar von First Draft empfohlen: „How journalists can monitor TikTok to inform their reporting“. Und wem die 75 Minuten Video zu viel sind, der kann einen Blick das zugehörige Google Doc werfen, in dem interne und externe Möglichkeiten zur Suche von TikTok-Inhalten erläutert werden.

Journalismus&Netz im Juni: Google zahlt Verlage, junge Marken in der Krise, Rezo versus Zeitungen

Was es mit Googles neuer Zahlungsbereitschaft auf sich hat, was die Coronakrise für die Jugendangebote von Verlagen bedeutet und worüber sich Rezo mit der deutschen Zeitungslandschaft streitet.

Google schließt Lizenzverträge mit ausgewählten Verlagen

Erstmals in seiner Geschichte will Google mit Zeitungsverlagen Lizenzverträge abschließen und dafür zahlen, dass es journalistische Inhalte in seinen Diensten anzeigt. Wie viel Geld die Verlage für die Darstellung der Inhalte auf Google News und Google Discover bekommen werden, teilte Google nicht mit. Das Programm startet mit von Google ausgewählten Medien in Deutschland, Australien und Brasilien. Aus Deutschland nehmen die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), der Spiegel, Zeit Online, der Tagesspiegel und die Rheinische Post teil. Weitere Partner sollen folgen. Bislang hatte sich Google stets geweigert, Inhalte bei Zeitungsverlagen und anderen Medien einzukaufen, der Streit um das Leistungsschutzrecht schwelt seit Jahren.

Der Schritt wurde in der Medienszene zunächst als Abkehr des US-Konzerns von seiner bisherigen Blockadehaltung gegenüber einem Leistungsschutzrecht für Presseverlage interpretiert. Bei genauerem Hinsehen ist jedoch Skepsis angesagt: Es ist unklar, wer wann nach welchen Kriterien wofür wie viel Geld bekommt. Die Auswahl der Medien durch Google wirkt ebenfalls willkürlich. Joshua Benton sieht in dem Google-Angebot vor allem eine PR-Maßnahme: Damit wolle Google davon ablenken, dass es für die wirtschaftlichen Probleme der Verlage verantwortlich gemacht wird, schreibt er in seiner lesenswerten Analyse auf Niemanlab.org (in der Benton auch das Verhältnis von Facebook und Verlagen beleuchtet). 

Digital News Report: Coronavirus sorgt für Nachrichten-Boom

Google zählt auch zu den Sponsoren des Digital News Report 2020 (DNR) des Reuters Institute for the Study of Journalism an der Universität Oxford. Der DNR ist eine der weltweit am meisten beachteten Quellen, wenn es um Mediennutzung geht. Mitte Juni ist der DNR20 erschienen. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Die Nachrichtennutzung steigt – teils bedingt durch das Coronavirus – vor allem beim Fernsehen und bei Online-Medien.
  • Auch soziale Netzwerke und Messenger, insbesondere WhatsApp, verzeichnen wachsende Nutzerzahlen, wie es im Summary heißt.
  • Der News Report hat auch ein eigenes Kapitel für Deutschland: Hierzulande nimmt das Vertrauen in Medien insgesamt weiter ab, wenn auch nur um 2 Prozent.
  • Zu den vertrauenswürdigsten Medien zählen nach wie vor öffentlich-rechtliche Angebote wie die ARD Tagesschau oder ZDF Heute.
  • Die Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten ist mit 10 Prozent weiterhin gering, ist aber leicht gestiegen.

Paid Content klappt am besten mit spitzen Produkten

Damit es nicht bei nur 10 Prozent Zahlungswilligen bleibt, hat Joachim Dreykluft, Online-Chefredakteur beim Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag und Leiter des HHLab „zehn Tipps, damit das mit dem Paid Content klappt“. Im Kern geht es darum, Produkte für ganz konkrete Zielgruppen zu entwickeln, diese Produkte kontinuierlich und gründlich zu messen. Und die Paywall soll hart sein, „richtig hart“, empfiehlt Dreykluft.

Auch von PUR-Abonnenten werden Nutzerdaten erhoben

Einige Verlage werben nach der Devise „Geld statt Daten“ für ein Abo. Die Idee: Wer ein kostenpflichtiges Abo abschließt, wird nicht mehr getracked und kann die Seite „praktisch werbefrei“ (Spiegel) lesen. Matthias Eberl hat sich für Netzpolitik.org dieses Versprechen von Spiegel, Zeit Online und dem österreichischen Standard angeschaut. Sein Befund: Nur bei den Wienern wird es tatsächlich eingehalten, Zeit Online und Spiegel liefern auch im PUR-Abo Nutzungsdaten unter anderem an Google. 

Rundfunkbeitrag: Wie die Verabschiedung des Staatsvertrags funktioniert

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ÖRR) finanzieren sich nicht über Abonnenments, sondern überwiegend über den Rundfunkbeitrag. Der soll nach einer Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) von 17,50 auf 18,36 Euro steigen. Auch die 16 Ministerpräsidenten und Regierungschefs der Länder haben zugestimmt. Das reicht aber noch nicht: damit die Beitragserhöhung tatsächlich in Kraft tritt, müssen alle 16 Landtage dem Rundfunkstaatsvertrag zustimmen, was vor allem in Sachsen-Anhalt problematisch werden könnte. In der SZ erklärt der Verfassungs- und Medienrechtler Dieter Dörr das komplizierte Verfahren hinter der Festsetzung des Rundfunkbeitrags.

Wie Funk seine Formate entwickelt

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine überdurchschnittlich alte Nutzerschaft, vor allem in seinen Fernsehprogrammen. Um auch jüngere Zielgruppen (wieder) für den ÖRR zu gewinnen, gibt es seit einigen Jahren das Content-Netzwerk Funk. Funk-Programmgeschäftsführerin Sophie Burkhardt erläutert auf journalist.de, wie Formatentwicklung für 14-29 Jährige funktioniert und was die Funk-Macher*Innen daraus für die Arbeit mit dem „normalen“ Publikum gelernt haben.

Junge Marken in der Krise

Die jungen Leute werden auch von fast alle großen Verlage mit eigenen für diese Zielgruppe konzipierten Portalen umworben. Allerdings ohne den gewünschten (monetären) Erfolg. Weil die Einnahmeausfälle durch die Coronakrise so groß sind, stellt der Spiegel seinen Jugend-Ableger Bento im September ein. Und auch Ze.tt, das Jugendangebot der Zeit, wird vom eigenen Portal zum Ressort bei Zeit-Online herabgestuft.

Wie die Natur bei der Verifikation helfen kann

Wenn Bilder oder Videos lokalisiert werden sollen, probieren es viele Journalisten zuerst mit Gebäuden, Schildern und Beschriftungen. Wie auch die Natur bei der Lokalisierung helfen kann, erläutert OSINT-Expertin Rae Baker auf Medium: Wo sind abgebildete Pflanzen heimisch, wann blühen sie, auf welcher Höhe verläuft die Waldgrenze, wie werden bestimmte Nutzpflanzen angebaut, wo leben bestimmte Tiere (und wo nicht), um nur ein paar Beispiele zu nennen, 

Google kennzeichnet fragwürdige Bilder

Google führt in seiner Bildersuche ein „Fact-Check-Label“ ein. Unter den gefundenen Bildern kann künftig der Hinweis „Fact Check“ angezeigt werden. Wenn man auf eines dieser Bilder klickt, bekommt man eine Zusammenfassung des Fact Checks angezeigt, wie Google am Beispiel des inzwischen berühmten Hais, der auf einer überschwemmten Straße schwimmt (nicht) demonstriert.

Googles Bilder-Fact-Check-Label kommt ziemlich unscheinbar daher. Das First Draft-Netzwerk empfiehlt hingegen in seinen 12 Tipps, wie Plattformen wie Facebook oder Twitter manipulierte oder gefälschte Inhalte am besten kennzeichnen sollten, solche Labels klar erkennbar zu gestalten, sowohl sprachlich als auch optisch.

Grimme Online Awards verliehen

Ende Juni sind die Grimme-Online-Awards verliehen worden. Alle Preisträger und die Jury-Begründungen dazu stehen auf der Grimme-Website. WDR-Digital-Experte Jörg Schieb hat einen Trend ausgemacht. Er findet, dass die nominierten und ausgezeichneten Angebote ernsthafter geworden sind.

Rezo battled sich mit den Zeitungen

In der Kategorie Spezial ist YouTuber Rezo für sein Video „Die Zerstörung der CDU“ ausgezeichnet worden, das 2019 ja für Furore sorgte. Vor kurzem hat Rezo ein neues Video veröffentlicht, in dem er die Arbeitsweise einiger Medien, vor allem von Zeitungen, angreift. So würden manche Medien „Techniken von Verschwörungstheorien“ anwenden, vereinzelt mit „Phantasiegeschichten Stimmung gegen ihre Feindbilder machen“, wieder andere sich „menschenfeindlich verhalten“. Starker Tobak, der natürlich nicht unkommentiert blieb.

So antwortete die FAZ mit einem Video, in dem sie sich zum Ziel setzte, Rezos „selbstverliebte pseudosachliche Stimmungsmache gründlich auseinanderzunehmen“, die Welt veröffentlichte einen Faktencheck zum Rezo-Video. Ralf Heimann zeichnet die Debatte im Altpapier nach. (Inzwischen hat Rezo in einem weiteren Video auf die Reaktionen zum „Zerstörung der Presse“-Video reagiert, was die FAZ mit einem weiteren Rückschlag bedacht hat).

Wie man als Radiojournalist aus dem Home Office arbeitet

Auch wenn die Corona-Beschränkungen nach und nach gelockert werden, sind noch viele Journalist*Innen dazu aufgerufen, von zuhause aus zu arbeiten. Wie und mit welchem Equipment das als Radio-Reporter geht, demonstriert Medienjournalist Daniel Bouhs in diesem YouTube Video.

Journalismus&Netz im Mai: Trump contra Twitter, Nannen-Preis für Rezo, Media Pioneer feiert Meinungen

Der US-Präsident regt sich über Faktenchecks seiner Aussagen auf, ein Nannen-Preis für YouTuber Rezo entfacht Diskussionen, ob das Journalismus ist und Gabor Steingarts Startup Media Pioneer singt ein Loblied auf Meinungen – auch auf unbequeme.

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Journalismus&Netz im April: Neues Verification Handbook, Corona-Podcasts, irreführende Überschriften

Nicht nur Facebook, Twitter und YouTube verstärken ihren Kampf gegen Corona-Fake-News, Medien sind gefragt wie selten zuvor, vor allem Podcasts boomen. Und „Der Westen“ arbeitet mit irreführenden Überschriften.

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